Was war, mussten wir zur Kenntnis nehmen. Was gerade passiert, ist nicht einfach zu verstehen. Auf komplexe Fragen gibt es eben keine einfachen Antworten. Was bleiben wird? Was bleiben soll? Gute Frage. Good vibes von Ella Fitzgerald, die Zuversicht von Matthias Horx und ein paar Schätze, die ich ins neue Jahr mitnehmen will.
Die Pummerin hat geläutet. Endlich, seufzten wohl viele, als würde der dumpfe Klang der Glocken dem Schrecken ein Ende machen. Als wäre nichts gewesen. Kein annus horribilis, kein Virus, keine Maske, kein Lockdown. Am nächsten Morgen würden die Philharmoniker mit dem kaum hörbaren Tremolo der Geigen zum Donauwalzer bitten. Dolby Surround würde das Klatschen zum Radetzkymarsch aus dem Musikvereinssaal ins Wohnzimmer übertragen, während die Kräfte nach der langen Nacht beim Brunch allmählich zurückkehren. Ein paar Schritte an der frischen Luft, ein Nickerchen und dann die Rede des HBP. Alles wie gehabt.
Pummerin, Philharmoniker und Präsident waren tatsächlich zu hören. Das bestimmende Thema blieb dennoch die Pandemie. Schlechter Moment fürs Pläne schmieden?
Guter Moment für good vibes von Ella Fitzgerald – The best is yet to come – und Zuversicht aus der Feder von Matthias Horx. Denn ohne Zuversicht, meint der Trendforscher, keine Zukunft. Und so mache mich gut gestimmt auf ins neue Jahr.
Dankbar zurückschauen. Und nach vor.
Mein Plan? Mir auch dieses Jahr wieder Zeit für ein Ritual zu nehmen, das mir Margit Weingast, eine wunderbare Coachin und Yogini, vor einigen Jahren für den Jahreswechsel mitgegeben hat. Wie das geht? Ich blicke auf das Vergangene zurück, verabschiede mich dankbar von Dingen, die ich nicht mehr mitnehmen will, und filtere wertvolle Erfahrungen und Erkenntnisse des alten Jahres heraus, die auch in den kommenden Monaten Platz haben sollen.
Margits Fragen und Tools unterscheiden sich wohltuend von marktschreierischen Angeboten, die vom ultimativen Plan faseln und binnen kurzem den ultimativen Erfolg versprechen. Bei ihr lernt man Achtsamkeit für die eigenen Stärken und das eigene Tun aus der Distanz zu reflektieren. Und das fühlt sich so gut an, dass ich dieses Ritual nicht mehr missen will.
Mein Tipp: Margit Weingasts Auszeit findet im Februar 2021 aus gegebenen Gründen nicht in der Südsteiermark, sondern online statt. Die Impulse für die persönliche Reflexion werden, wie ich sie kenne, nichts an Gehalt einbüßen.
Alleine, aber nicht einsam.
Im Blick zurück wird mir klar, dass ich es im Home Office ganz gut mit mir ausgehalten habe. Das liegt zu einem Gutteil daran, dass mir die selbstgewählte Eremitage vertraut ist. Mehr noch, sie ist für mich unverzichtbar, damit Konzeption, Schreiben und Feinschliff gelingen.
Natürlich fehlt mir der Cut, der Privates und Berufliches sauber trennt. Die Begegnungen im Zentrum von Graz, die das eine Mal zu einer angenehmen Kaffeepause führen und das andere Mal zu einem Auftrag. Die Infos, die ich im Vorbeigehen aufschnappe und bei nächster Gelegenheit gut verwerten kann. Und auf das Monat in einem Coworking in Tel Aviv und die Interviews mit israelischen Startups hatte ich mich wirklich gefreut. Daraus ist 2020 nichts geworden. Stattdessen saß ich festgeklebt an meinem alten Schreibtisch und pendelte zum Kaffee maximal auf die Terrasse.
Meine Arbeit, mein Rhythmus unterschieden sich nicht wirklich von früheren Jahren. Wahrscheinlich ein Vorteil, von dem ich in dieser Ausnahmezeit profitierte. Ich hatte glücklicherweise Arbeit und zwar Arbeit, die mich interessierte und gut beschäftigte.
Sicherheit, das wurde mir klar, gaben mir aber auch die mit den Jahren entwickelte Routine und die tragfähigen Netzwerke, meine Kooperationspartnerinnen und -partner. Wir kennen uns gut und wissen, was wir wann voneinander brauchen und wie wir einander das Leben so angenehm wie möglich machen. Per Telefon, E-Mail und Zoom planten wir Webstrukturen, erstellten Präsentationen und setzten Web- und Printprojekte um.
Von einigen meiner Stammkundinnen und -kunden habe ich in diesem Jahr weniger gehört, weil sie neue Prioritäten setzen mussten. Dennoch blieben wir in gutem Kontakt. Andere wollten die außergewöhnlichen Umstände nutzen, um lange geplante Projekte umzusetzen. Und dann konzipierte und schrieb ich Content für bislang Unbekannte, mit denen mich heute wechselseitige Wertschätzung und schöne Ergebnisse verbinden. So gesehen war ich definitiv oft alleine. Aber nicht einsam.
Was Kommunikation nicht nur in der Krise braucht
Erkenntnis Nummer zwei, die ich dankbar mitnehme: Kommunikation funktioniert auch in angespannten Zeiten und auf Abstand gut, wenn die Regeln für alle Beteiligten klar sind. Klartext reden, heißt die Devise. Wie in jeder guten Beziehung. Das schließt scheinbar unwesentliche und daher oft vernachlässigte Details mit ein: Erreichbarkeiten vorab zu klären, auf Anrede und Form in Emails zu achten oder zu unterscheiden, welche Informationen über welchen Kanal am besten ankommen.
Beispiele? Mit einem kurzen Telefonat lassen sich Unklarheiten oft einfacher und schneller klären als elendslanges Hin und Her per Email. Ganz abgesehen von den Missverständnissen, die man sich gerade bei sensiblen Themen erspart. Manchmal passt das Wesentliche in ein knappes WhatsApp und ein anderes Mal erfordert die Komplexität im Idealfall ein persönliches Treffen oder – in Zeiten wie diesen – ein Online-Meeting.
Die Währung heißt Vertrauen, meinte Stefanie Schöffmann in einem Interview. Jahrelang hatten wir uns ein Büro geteilt und in vielen Projekten zusammengearbeitet. Auch nach meiner Übersiedlung auf die andere Murseite verabreden wir uns regelmäßig zu Gesprächen, in denen wir erstens über alles Mögliche und zweitens über die Arbeit in der Kreativwirtschaft reden. Mit klarer Aufgabenteilung: Popp stellt die Fragen, Schöffmann antwortet. Bei unserem letzten Gespräch – nachzulesen unter look! inside – ging’s ums liebe Geld und die Frage, wie man den Wert kreativer Leistungen verständlich kommuniziert. Schöffmanns Einschätzung deckt sich mit meiner Erfahrung: Es geht nichts über Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Bei der Angebotslegung wie bei allen anderen Phasen der Zusammenarbeit.
Blick für die anderen und Bauchgefühl
Mindestens so wesentlich – und in der Krise vermutlich noch wichtiger als je zuvor – ist meiner Ansicht nach die Fähigkeit, sich in die Lage anderer zu versetzen. Womit ich bei Erkenntnis Nummer drei angelangt bin. Der Perspektivenwechsel. Ein Werkzeug, das ich ganz allgemein gerne auspacke, um die Erwartungen und Bedürfnisse potenzieller Kundinnen und Kunden zu erkennen. Im Gespräch mit Auftraggeberinnen und -gebern, die durch die Ausnahmesituation persönlich und wirtschaftlich belastet waren, bewährte es sich mindestens so gut.
Mehr als je zuvor wurde Verständnis für die andere Seite bedankt: Der Blick für die Ressourcen des Gegenübers und für die Möglichkeiten, die ich anbieten konnte, damit wir das Projekt zu einem guten Ergebnis führen konnten. Oder die Unterstützung, die ich weniger IT-affinen Kundinnen und Kunden bei der Organisation und Durchführung von Online-Meetings anbieten konnte. „Ihr braucht nur auf den Link zu klicken, den ich euch schicke.“ Dieser Satz sorgte mehr als einmal vorweg für gute Stimmung und vereinfachte den Austausch über den ungewohnten Kanal.
Geduld, Flexibilität bei Terminverschiebungen und Prioritäten, die durch das C-Wort plötzlich hinfällig wurden. Jede Form der Empathie wurde mir dankbar gespiegelt. Da war schließlich etwas, das alle Pläne und Erwartungs-Routinen von einem Tag auf den anderen durchkreuzte. Die gesamte Welt und den persönlichen Kosmos jeder und jedes einzelnen.
In diesem Zusammenhang fällt mir ein Gespräch zwischen dem Gründer eines erfolgreichen Startups und einem Investor ein. Es war schon deshalb denkwürdig, weil es einer der wenigen Termine in diesem Jahr war, bei dem sich meine Gesprächspartner und ich im selben Raum befanden. Mit Elefant natürlich, aber von Angesicht zu Angesicht. Schon das fühlte sich gut an. Ich hatte Zeit, Mimik, Gesten, Wortfetzen, Körpersprache vor dem Interview zu beobachten und während des Gesprächs die Möglichkeit, Reaktionen aus erster Hand mitzuerleben. Zustimmendes Nicken, das die Kamera nicht eingefangen hätte, der Wunsch, das Statement des Gegenübers zu ergänzen. All das eben, was ein normales Gespräch ausmacht.
Was, so lautete die Frage, war ausschlaggebend dafür, dass sich der Investor entschieden hatte, Zeit, Geld und Know-how gerade in dieses junge Unternehmen zu stecken. Das Produkt stimmte, der Blick auf den Markt, die gute Vorbereitung auf das Gespräch, antwortete der Unternehmer. „Aber vor allem die Menschen.“ In ein Unternehmen zu investieren sei immer ein Risiko. Und natürlich käme es auf Zahlen und Ziele an. Dennoch höre er immer auf sein Bauchgefühl. Dass er damit gut fährt, belegen die Umsatzzahlen seiner Unternehmen.
Das Neue Normal
Wie wird das Leben nach Corona aussehen? Das Neue Normal, wie es Mathias Horx nennt. Wird die Welt dazulernen? Ist der Weg zurück möglich? Ist er sinnvoll? Wir werden es sehen. Feststeht, dass die Wende uns in manchen Bereichen schon jetzt in neue Welten katapultiert hat. Auch in Österreich ist nun vieles möglich, was vor den Iden des März noch als utopisch galt. Online-Coaching, E-Commerce in der heimischen Landwirtschaft und Großeltern, die in Blitzesgeschwindigkeit die Basics von Wischhandy und WhatsApp lernten, um mit Kindern und Enkelkindern in Kontakt zu bleiben.
Nach anfänglicher Scheu fanden manche meiner Kundinnen und Kunden sogar Gefallen an den Unterhaltungen von Screen zu Screen. „Wir könnten uns künftig doch regelmäßig zusammensetzen“, lautete der Vorschlag und die ersparte Wegzeit wurde in informelle Gespräche investiert, von denen das ganze Team definitiv profitierte. Ich selbst nutzte Auftragslöcher und holte mir mittels Webinaren Expertise ins Office und in den Pausen höre ich mir neuerdings gerne Podcasts an.
Meine Favoriten? Buchstaben & Business, der Podcast meines geschätzten Grazer Kollegen Stefan Schwar. Philologisch im wahrsten Sinn des Wortes – mit viel Liebe zur Sprache – und praxisnah geht er dem Wesen guter Texte auf den Grund und erzählt von seinen Abenteuern in der Welt professioneller Kommunikation.
Alles gesagt? Der ZEIT-Podcast von ZEITmagazin-Chefredakteur Christoph Amend und ZEIT-ONLINE-Chefredakteur Jochen Wegner. Unendliche Interviews mit außergewöhnlichen Menschen – so lange, bis sie selbst erklären, dass jetzt "alles gesagt" sei. Ein Gespräch kann also zwölf Minuten oder acht Stunden dauern.
Einige Erfahrungen aus 2020 könnte ich gut missen. Ich lasse sie, wo sie sind. Danke. Das war’s.
Die guten Gespräche auf Augenhöhe, spannenden Begegnungen und die Erfolgserlebnisse nehme ich gerne mit. Das ist mein Plan.
Apropos: Ein guter Plan versteht sich als Terminkalender für alle, die nicht nur Termine im Kopf haben. Mir ist er seit Jahren ein guter Begleiter.
Ein gutes neues Jahr und bleiben Sie gesund!
Herzlichst
Nina Popp
Foto © NINA POPP